Freitag, 30. Juli 2010

Peoplespotting

Die Bahn ist ein Kosmos für sich, wie eigentlich alles hier. Hast du Langeweile? Fahr Bahn! Bist du einsam? Fahr Bahn! Fehlt dir der Geruch von abgestandenem Schnaps? Fahr Bahn!

Alles ist dicht aneinandergedrängt und trotzdem oder gerade deswegen brechen die Gedanken gerne mal aus. Jenseits der Hektik, der schlafenden Penner oder der glänzenden Felgen, erhebt sich dein Geist über diese Welt. Auf dem Weg zur Unendlichkeit, außerhalb der schmutzigen und verkratzten Scheibe eines Wagons.
Wo kommt wohl der Typ im Anzug her, mit seinem Reisekoffer in der Bahn, die vom Flughafen kommt? Auf welchem Bordstein hat wohl der humpelnde, alte Sack geschlafen und noch viel wichtiger: Wo wird er sich als nächstes hinlegen? Er wird wohl erstmal gar nicht mehr aufstehen. Wie die meisten ist er froh, endlich zu sitzen. Wie deprimierend: Die ganze Zeit auf den Beinen und letztendlich keinen Schritt weiter.
Auf diese hellblauen Sitzen haben schon so viele Menschen ihre Backen gepflanzt: Reiche, Arme, Dumme, Intelligente, Intellektuelle, Genies und solche, die den Sprung in den Wahnsinn gewagt haben. Ach ja: Und die Schwulen, die Neuhamburger in der Bahn belästigen. Ihr glaubt ja gar nicht, was einem Schönling wie mir hier alles so widerfährt. Jetzt kann ich nachvollziehen, was in einer Frau vorgeht, wenn sie von so einem ekelerregenden Arschloch auf langweiligste Art angebaggert wird - nämlich Wallungen in der Magengegend.

Montag, 21. Juni 2010

Das alltägliche Bildnis des Dschungels

Mit der Zielstrebigkeit eines rollenden Steins und den Schritten eines Tausendfüßlers geht das Leben hier seinen Gang. Unaufhaltsam, aber für jeden Einzelnen mindestens in gleichem Maße planlos. Wer hat bei anderteinhalb Millionen Menschen schon den Überblick. Es kann jeder nur seinen Weg mit geschnürten Schuhen gehen oder zu Boden sehen und die Schritte zählen. Und wieder Andere schlafen neben ihrem Hund vor tagsüber verlassenen, nachts hell erleuchteten Schaufenstern. 

Wo sich Alster und Elbe Gute Nacht sagen, spielt sich alles ab, was ein Leben so bieten kann. Natürlich abgesehen von extremen Klimaregionen. In der Bahn werden per Handy melodramatische Bände geschlossen und zerrissen.  Wer klug zu sein glaubt, sucht das schnelle Geld in Nutten und Drogen. Andere vergraben sich in Angst und Wut, der Rest ist einfach da, ohne so recht selbst zu wissen, was er soll und was nicht. 
Hamburg, du große Stadt: Wenn ich es hier schaffe, schaffe ich es überall und ich bin auf meinem Weg. 

Zugegeben, ein ziemlich düsteres Bild. Allerdings bestätigt es sich nur in der Perspektive durch die rosarote Brille mit von Zynismus getönten Gläsern. Die guten Seiten sind paradoxerweise die Menschen, denn sie sind bezeichnend für die strahlenden Lichter, die nach Pisse stinkenden Bahnhöfe und das Lachen des kleinen Mädchens auf der Straße. Die Großstadt und vor allem die U-Bahn macht ein Psychologiestudium überflüssig. Statt BAföG bedarf es nur der Fähigkeit zur Reflexion, der seines eigenen Selbst und der seiner Umwelt. Dem interessierten Beobachter bietet sich hier wohl alles, was es für das Überleben zu wissen gilt. Wie vermessen, das als Landei zu schreiben. 
Stimmen tut es trotzdem: 3 Leute sitzen in der gleichen Haltung da, fixiert auf  ihr Handy oder bestenfalls noch ihr Buch. Viele schirmen sich permanent ab durch Kopfhörer oder, was viel schlimmer ist: Ignoranz. Ich frage einen nach einem Taschentuch, er verneint. Da fängt sein Sitznachbar, mit dem er nichts zu tun hat, an in seiner Tasche zu wühlen und gibt mir ein Taschentuch. Ohne, dass ich ihn direkt gefragt hätte. Und so wird auch das düsterste Bild etwas heller. Da, wo ich herkomme hätte das sicher niemand getan.

Dienstag, 1. Juni 2010

"Wohin der Herrgott mich führt"

Ich weiß, zuletzt habe ich meinen kulturell hochwertigen Block etwas schleifen lassen, aber ich hatte zu tun. Ich habe unter anderem ein Auto gesehen, dessen Fahrer sich während der Fahrt die Zähne geputzt hat. 
Abr wenn der Ruf der Welt Dich in die Ferne lockt, wird es Zeit sich ein größeres Pflaster zu suchen. Genau das habe ich getan. Aus unserer kleinen Stadt in NRW hat es mich für die nächsten Monate nach Hamburg zu Sgt. Mercy verschlagen. 
Hier arbeite ich in meinem bekannten Metier, oder unbekanntem Metier... Aber ich will ja auch nicht zu viel verraten. Es sei gesagt, dass ich bei dem, was ich mache, schreibe. 

Natürlich ist das hier einige Nummern größer als es meine Heimat war. Doch die Zeit ist gekommen, dass selbst das verrückteste Küken pflügge wird und das wärmende Nest in den Wind schießt. Aber hier bei Sgt. Mercy ist es ach ziemlich gemütlich. Ich habe eine verlockende Matratze auf dem Boden vor dem Fernseher, direkt in der größten Elektrosmogwolke der ganzen Wohnung. Es ist Mercys alte Matratze, deswegen ist sie 2,30 m lang. Seit Vater war schon als der kleine Mercy noch vier Jahre alt war so schlau und hat im Wissen, dass aus seinem Zögling mal ein ganz großer Kerl würde, direkt zu Beginn ein Bett für lange Menschen gekauft.

Nun haben wir noch unsere Mitbewohnerin, die nicht viel von sich hören lässt, abgesehen von Beschwerden wir seien zu laut und sie müsste um zehn Uhr schlafen. Im Gegenzug hinterlässt sie dafür regelmäßig einige Haare in der Dusche, die ihr entweder ausfallen, die sie sich im Wahn irgendwelcher Stimulationen (was das für Stimulationen sind, lasse ich mal dahingestellt) oder, die sie sich abschneidet um uns zu ärgern. Nur gut, dass sie nach Mercys Worten geschätzt nur alle zwei Monate duscht.
Einmal war sie sogar so frei ein Hösschen für die nächste Wäsche in die Waschmaschine zu tun. Eigentlich kein Problem. Ich stehe nicht auf schmützige Hösschen, weder bei Frauen noch bei Männern, aber das ist eben normal. Außer in diesem Fall, denn dieses Hösschen hatte etwas ziemlich Widerliches an sich. Das ziemlich Widerliche war von roter Farbe und in ausreichender Menge in dem Hösschen eingetrocknet. 
"Der Tampon kam da wohl ein Momentchen zu spät", so formulierte es Mercy. Ja, so siehts wohl aus. Nachgefragt hat er glücklicherweise nicht bei ihr. 

Wie das hier so ist laufen einem täglich die verrücktesten und unterschiedlichsten Menschen über den Weg. Da wäre zum Beispiel der Typ, der an ein Schaufenster gelehnt pennt, mit einer Mütze mit etwas Kleingeld darin vor sich. Echt nett von ihm! Wenn ich mal was für die Parkuhr brauche werde ich auf ihn zurückkommen. Oder da wären noch die netten Damen am Schalter in der U-Bahn. Service-Wüste-Deutschland? Davon ist hier bei Weitem nichts zu spüren. Ich schätze, dass sie so grimmig gucken, weil sie schlecht Zähne haben und mir nur den Anblick ihrer verwahrlosten Kauleiste ersparen wollen. 
Ich bin gespannt, was und wer mich in den nächsten Wochen noch so erwartet. Ich hoffe, dass ich in Zukunft wieder etwas mehr Zeit und Lust finde, Euch auf dem Laufenden zu halten als in den letzten Wochen.

Rock on!

Mittwoch, 12. Mai 2010

Blogeintrag vor´m Vatertag

1. Am Vatertag wird jede einzelne Chance darauf Vater zu werden oder zu sein gefeiert. Hochgerechnet wären das also einige Milliarden Chancen seine diabolischen Schädlinge auf die Welt loszulassen.

2. An Vatertag wird  jedes Jahr auf´s Neue ein Grundmaß an Bier getrunken. Dieses Grundmaß erhöht sich praktisch von Jahr zu Jahr. Paradoxerweise reduziert der Bierkonsum wiederum die Chancen auf eine Vaterschaft, da unter diesem die Qualität des Spermas leidet. Oder kennt ihr etwa jemanden, der schon einmal voll wie eine tschechische Edelhure zur Samenspende marschiert ist?

3. Das bedeutet also, dass das utopische Ziel des Vatertags ist nicht mehr existent zu sein. Väter trinken um keine Väter zu sein und den Vatertag letztlich nicht mehr feiern zu müssen. Auch wenn mir nun einige Freunde und Helfer widersprechen möchten, hat der Vatertag somit prinzipiell die gleiche Existenzberechtigung wie die Polizei. Wenn alle Polizisten arbeitslos und nicht mehr gebraucht würden, wäre ihr höchstes Ziel doch erfüllt. Vielleicht ist genau das der Grund, weswegen wir an Vatertag immer nur schmachtende Blicke der Männer ernten, während ihre Frauen bei dem gemeinsamen Spaziergang nur angewidert die Augen verdrehen.

Werter Leser, wenn du es überhaupt bis hier geschafft hast zu lesen und mir auch noch zustimmst musst du eine noch viel größere Schraube locker haben als ich. Und deine wird dazu noch ziemlich verrostet sein. 
Denn ich für meinen Teil stoße am Vatertag auf meine zukünftigen, gewollten oder ungewollten, bekannten oder unbekannten, halb-schwarzen oder -asiatischen, mich liebende oder mich hassende Kinder an, die genauso großartig sein werden wie ich selbst. 

Auf Euch, Kevin und Jacqueline! 

Montag, 3. Mai 2010

(Ex-) Zivi-Tagebuch 3.05.10 - Letzter Eintrag

Vor ein paar Tagen saß ich mit Low in unserem Zimmer in unserer Dienstunterkunft. Es waren die letzten Stunden, in denen wir die Wohnung als unser "zweites Zuhause" bezeichnen konnten. 
Wir rauchten eine letzte Shisha in dem aufgeräumten Zimmer. Die Betten waren mittlerweile repariert und zusammengeschraubt, wenn auch nicht professionell genug, als dass man sich darauf hätte hinlegen können. Der Boden war zum ersten Mal seit unserem sporadischen Einzug sauber, wahrscheinlich war er überhaupt das erste Mal richtig sauber. Ja, wir haben uns für unseren Auszug noch einmal richtig zusammengerissen was das Aufräumen angeht. Außer bei den Betten eben.

Nun bin ich seit etwa 69 Stunden kein Mann des Staates mehr. Ich habe meinen Dienst an der Gesellschaft getan und werde hoffentlich nie wieder dazu herangezogen. Bye bye, Beamtenstatus! Bye bye, du bittersüßer Schraubstock, der du meine Eier stets vor der absoluten Freiheit bewahrt hast. Damit stehen mir nun wieder alle Grundrechte eines mündigen Bürgers in unserer demokratischen Bundesrepublik zu. Das soll freilich nicht bedeuten, dass nun uneingeschränkte Meinungsfreiheit herrscht. Weder für mich, noch für euch. 
Alle Papiere sind unterschrieben und ich habe beinah die komplette Summe der Gelder, die mich zum Abschluss erwarten sollten erhalten. Mein letztes Essensgeld bekomme ich Mitte Mai ausbezahlt. Natürlich bin ich nicht gegangen, ohne mir noch ein letztes Mal meine kleine, persönliche Genugtuung an Gerechtigkeit zu erlauben. Das Schälchen mit Bonbons im Büro der Verwaltungsangestellten, bei der ich die Entlassungspapiere unterzeichnet habe, war jedenfalls leer als ich gegangen bin. 
Oft wurde ich gefragt, wie es mir so gefällt als Zivi. Meistens habe ich ehrlich und damit entsprechend negativ geantwortet. Doch ich schließe nicht aus, eines Tages einzusehen, mir einzugestehen, mich selbst zu belügen oder einfach gelangweilt zu sagen, dass es vermutlich gut war meinen Zivildienst geleistet zu haben. Wenn schon nicht für mich, dann zumindest für den ein oder anderen alten Menschen (Ja, ich kann auch ganz freundliche Töne anschlagen). 
Zur Zeit kann ich nur sagen, dass ich einfach souveräner mit alten Menschen umgehe. Das muss nicht so gut sein, wie es sich jetzt möglicherweise anhört. Ich bin für derartiges mittlerweile eher etwas übersensibilisiert und entsprechend genervt, wenn es mal wieder zu wohlbekannten Situationen mit alten Menschen kommt. In einem Satz: Ich habe erstmal genug von Senilen, Dementen, Verwirrten, Egozentrischen, vermeintlich geistig wie körperlich fitten und solchen, bei denen all das gleichzeitig der Fall ist. Ich bin ziemlich schnell von ihnen und ihren Marotten genervt, doch als Zivi bildet man zum Glück eine Panzer gegen sowas ...zum Glück meiner älteren Mitmenschen versteht sich.
Mehr ist nicht geblieben. Keine persönliche Reife, keine neu erworbenen sozialen wie kommunikativen Kompetenzen, keine Soft-Skills. Aber zumindest ein bisschen Stolz auf meine schriftliche Ermahnung! Es wird eine Weile dauern, bis sich meine Eier von dem unsanften Griff des Staates erholt haben werden. Seid euch sicher, noch bevor das passiert werden die Leute, die nichtmal ein ehrliches "Danke" oder ein anerkennendes Lächeln für uns übrig hatten, sich nach der Zeit zurücksehen, als der Zivildienst noch 9 Monate oder länger oder überhaupt noch existent war. 

Donnerstag, 29. April 2010

The highway to the dangerzone - Die kürzeste Ewigkeit der Welt

Wenn du aus 4000 Metern Höhe völlig ungebremst dem Erdboden entgegenrauchst ist dein Kopf leerer als bei einem Orgasmus

Letzten Samstag war es so weit: Die Luft war frei von Asche und so frei von Wolken wie es eben ging. Die Sonne strahlte und ich bin mit einem breiten Grinsen aufgestanden. Bevor ihr euch fragt: Besagtes Grinsen war auch einige Stunden später noch da, als ich vor der geöffneten Luke im Flugzeug stand. 
Nachdem ich mich am Flugplatz angemeldet hatte, kam nach einer Weile ein recht maskulin wirkender Typ und erklärte mir und einem weiterem Tandemspringer wie wir uns in der Luft zu verhalten hätten. Ich wusste sofort, dass ich nur unter ihm hängen wollte. So kam es dann auch, er stellte sich mir noch einmal vor und gab mir anschließend meinen Overall. Außerdem bekam ich noch eine Lederkappe, die in SM-Kreisen sicherlich einige schmachtende Blicke geerntet hätte.
In einer "Top Gun"-Atmosphäre sehen wir unser Flugzeug landen. Wir setzten uns schließlich hinter die Piloten. Mein Tandempartner erzählte mir das Ding hätte 1000 PS, das sollte uns definitiv in die Luft bringen. Auf geht´s, die Dangerzone wartet! 

Die Kiste ruckelt gewaltig und ich hoffe nur, dass wir bevor wir abstürzen wenigstens die 4000 Meter knacken. Aus geringerer Höhe will ich nämlich auf keinen Fall herunterstürzen, schließlich habe ich dafür bezahlt! 
"Das Fliegen ist schon Wahnsinn, was!?", meint mein Partner und er hat Recht! Wenn man sich erstmal an den Gedanken gewöhnt hat an einem Fallschirm und nicht in einem brennenden Flugzeug auf die Erde zurückzukommen, ist es großartig. Von oben sieht sie wunderschön aus, unsere Welt. Auch, wenn die Welt hier oben unmöglich mit der da unten zu vergleichen ist. Alle Sorgen, Probleme und Kriege sind auf dem Boden geblieben, weit weg und unerreichbar weit entfernt. Hier oben fehlt mir absolut nichts. Ich fühle mich heimisch, diese Welt passt perfekt in mein Leben.
Alle im Flugzeug sind schon mehrere Male gesprungen, außer mir. Dennoch durchbricht nur der Motor der Maschine das Schweigen. Jeder hier scheint in sich gekehrt, vielleicht etwas nervös oder zumindest aufgeregt. Es ist jedoch eine Nervosität, die erfüllt ist von Vorfreude auf pures Glück und dem Gedanken an Freiheit. Noch ein letztes Mal tief durchatmen bevor es losgeht. Und dann heißt es Genießen! denn nach einem Fingerschnippen wird es vorbei sein und die Erde hat uns wieder. Oder im Fall meines Partners heißt es eher werbewirksam noch ein letztes Snickers essen, bevor es losgeht. Wenn´s mal wieder länger dauert...
Er fragt mich: "Wenn du willst können wir ein paar Überschläge machen nach dem Absprung!?" 
"Ja klar!", sage ich. Ich wusste im ersten Moment nicht gleich, was ich antworten sollte. Aber dann dachte ich mir: "Wenn schon, dann richtig!" Als nächstes denke ich mir nur noch: "Geil!" 
Es ist soweit, meine Partner schnallt mich an sich fest (Na, wen von euch erregt das gerade nicht??). Die Luke des öffnet sich und es wird noch viel lauter. Der Motor ist jetzt fast nicht mehr zu hören, nur noch der Luftzug. Der Rausch setzt ein... Nacheinander springen die einzelnen Kollegen ab, bis wir schließlich die Letzten sind. Ich muss die Beine hochnehmen und hänge nun nur noch an meinem Partner. Wir, beziehungsweise er bewegt uns vor die Luke. 
Ich sehe große Flecken auf der Erde und kleine Straßen. Alles sieht aus wie gemalt. Es ist ein wenig unscharf, Konturen kann man nicht genau ausmachen. Man weiß, dass es real ist, dennoch ist es völlig unvorstellbar, dass dies tatsächlich die Erde ist. Und, dass man ziemlich am Arsch wäre, wenn man ungebremst dort unten ankommt. Wie in einem wahnsinnig realistischen Simulator, oder in einer surrealistischen Realität. 
Es kommt ein Gefühl der Aufregung in mir hoch. Ich habe noch nie so aufgeatmet und fühlte mich mit einem Mal so leicht. Wie gerne hätte ich meine Gesichtszüge vor Euphorie entgleisen sehen. Doch bevor ich realisiere, dass wir direkt am Abgrund stehen, stehen wir nicht mehr am Abgrund. Wir fallen, fliegen, schweben.
Für einen kurzen Augenblick wird das Flugzeug "unter mir" klein, dann sehe ich wieder die Erde. Die Zeit steht still... Für eine Ewigkeit, die kaum einen Atemzug währt. Diese Ewigkeit ist ein Universum mit tausenden Welten. Ich bin leer, fassungslos. Ich breite meine Arme aus und höre ein lautes Rauschen. Aber befinde ich mich überhaupt in Bewegung oder hat die Welt plötzlich aufgehört sich zu drehen? Ich kann es nicht sagen. An meinen Händen und in meiner Lunge spüre ich diese Luft, so frisch und kalt als wäre sie noch nie geatmet worden. 
Plötzlich erfolgt ein kurzer Ruck und wir bewegen uns wieder langsam. Der Fallschirm ist offen, die Uhr läuft weiter. Und es herrscht Stille, richtige Stille. Pur und einzigartig. Selbst der, der nicht an Gott glaubt, wird hier oben in dieser wunderbaren Stille die Engel flüstern hören. 
Mein Partner gibt mir die Steuerungsleinen in die Hand und sagt mir, was ich tun muss. Es funktioniert genauso, wie man es aus filmen kennt. Ziehe ich an beiden werden wir langsamer, ziehe ich an einer, fliegen wir eine scharfe Kurve bis hin zur Schraube. Mal gleiten wir langsam, mal torkeln wir so wie in einem Korkenzieher gen Erdboden. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Konturen klarer werden. Das Gemälde wird langsam zum Foto.
Schließlich sind wir etwa 40 Meter über dem Boden, nach einer Höhe von 4000 Metern sehen die allerdings höchstens aus wie zehn Meter. 20 Meter, 10 Meter, 5 Meter... Ich ziehe meine Beine an und wir landen sanfter als erwartet. Mutter Erde hat uns wieder, Vater Himmel fehlt uns jetzt schon. 

Und nun? Nun haben wir den Salat! Ich habe damit angefangen. Nun gibt es kein Zurück mehr wie bei einem Hai, der Blut gewittert hat. Das nächste Mal werde ich vermutlich alleine springen. Und dieses nächste Mal wird kommen.

I believe I can fl... - PATSCH!!!

Sonntag, 18. April 2010

Der Big Jump geht in Asche auf!

Tut mir Leid, aber ich muss die ein oder anderen von Euch leider enttäuschen: Ich lebe noch und es ist auch nicht so, dass ich nicht die Eier gehabt hätte zu springen.
Der Sprung fand nicht statt, weil ein beschissener Vulkan auf Island mit einem unartikulierbaren Namen nicht nur 60 Prozent aller Flughäfen in Westeuropa lahmgelegt hat, sondern auch, was unlängst schlimmer ist, den Sportflugverkehr. Pech für alle, die gestern Morgen mehr oder weniger aufgeregt aufgestanden sind und Pläne für etwas hatten, das ein paar tausend Meter über dem Erdboden stattfinden sollte.
Und Glück für Alle, die Angst um mich hatten. Ich werde jetzt vorraussichtlich nächsten Samstag springen, falls die Welt bis dahin nicht von Delphinen erobert und die Menschheit versklavt wurde. In dem Fall würde ich mir überlegen meine Tierliebe vorrübergehend über den Haufen beziehungsweise einen Delphinkadaver zu werfen.
Nun frage ich mich allerdings, ob die Piloten einfach solche Weicheier sind und keine Herausforderungen schätzen oder sie wohlmöglich wegen einer Pilotenversammlung am Abend vorher einfach noch nicht wieder nüchtern waren. Oder es waren gerade wegen einer solchen Versammlung noch in der Nacht alle Maschinen von betrunkenen, sich überschätzenden Sportfliegern zu Schrott geflogen... 

Ob nun Aschewolke oder Besäufnis: Was soll denn passieren, schließlich haben wir doch Fallschirme. Jetzt bleibt jedenfalls erstmal nur abzuwarten, was bis zum nächsten Termin so alles dazwischenkommt. Vielleicht kommt alles ja ganz anders als erwartet und die Welt wurde bis dahin längst in ein Schwarzes Loch gesogen, weil die Jungs von CERN sich diesmal ein wenig veschätzt haben.